Die Störerhaftung – Risiken und die Praxis und die aktuelle Entwicklung des Gesetzgebers

In Deutschland gilt seit Jahren die so genannte „Störerhaftung“. Danach haftet der Betreiber eines Netzwerks für Rechtsverstöße durch Dritte dann als Störer, wenn er willentlich und adäquat kausal zum Rechtsverstoß beiträgt. Er kann bei der Annahme dieses „Verschuldens“ als Störer auf Unterlassen in Anspruch genommen werden, hat jedoch grundsätzlich erstmal keinen Schadensersatz zu leisten. Der eigentliche Täter wird oftmals gar nicht erst ermittelt, was auch an der offenkundigen Schwierigkeit der Beweissicherung bzw. Identitätsfeststellung liegt.

Am besten lässt sich diese Problematik anhand der Filesharing-Fälle darstellen, wenn also ein Gast oder Nutzer eines Internet-Netzwerks die typischen Rechtsverstöße gegen das Urheberrecht (UrhG) durch das Herunterladen von illegaler Musik, Filme oder Serien oder das illegale Streaming von Online-Angeboten mit Vorsatz begeht. Dann haftet grundsätzlich der Anschlussinhaber bzw. im Falle des W-LAN der „Betreiber“ (also wer das W-LAN Netzwerk eröffnet und kontrolliert) für diese Rechtsverletzung und wird in der Praxis üblicherweise durch den Inhaber der Rechte an den betroffenen Werken (Musik, Film, Serie) auf Unterlassung in Anspruch genommen. Solche Abmahnungen sind zumeist mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und einer Rechnung (Anwaltskosten usw.) versehen.

Diese Störerhaftung lässt sich jedoch einschränken, indem der Anschlussinhaber bzw. Netzwerk-Betreiber gewisse Maßnahmen und Vorkehrungen zur Vermeidung von Rechtsverstößen trifft. Schließlich entsteht erst aus der Verletzung solcher Prüfungspflichten die Störerhaftung des Anschlussinhabers.

Als Vorkehrungen kommen die Aufklärung der Nutzer / Gäste auf das geltende Recht wie auch konkrete Anweisungen in Betracht, keine Rechtsverstöße und insbesondere kein Filesharing vorzunehmen. Aber auch die Überwachung und Kontrolle des Nutzers sowie die ständige Überprüfung der technischen Sicherungen, wie das W-LAN Passwort auf den gegenwärtigen Stand der Technik (Anforderungen an das Passwort, z.B. 16-stelliges Passwort mit WPA2- Standard Schlüssel), spielen hierbei eine Rolle.

So liegt es auf der Hand, dass in der Rechtsprechung eine Vielzahl an Gerichtsentscheidungen bis hin zum Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) an diese Anforderungen anknüpfen, welche die Voraussetzungen der Störerhaftung näher austarieren und Fallgruppen bilden, ab wann der Anschlussinhaber z.B. nicht (mehr) für Rechtsverstöße Dritter (z.B. der minderjährige Sohn, der Besuch oder Nachbar) zur Verantwortung gezogen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2010, Az.: I ZR 121/08 – „Sommer unseres Lebens“).

Gleichwohl betonte der BGH in jüngster Zeit, dass dem Anschlussinhaber keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht zuzumuten ist. Eine konkrete Überwachung oder Einschränkung des Verhaltens von Familienangehörigen oder Mitbewohnern ist erst dann erforderlich, wenn er auf Grund eines konkreten Anlasses, z.B. durch Kenntnis oder einer zufälligen Beobachtung den Missbrauch seines Anschlusses durch das Filesharing des Kindes oder Mitbewohners zu befürchten hat.

Noch vor einigen Jahren sprachen sich die Gerichte für strengere Pflichten aus wie z.B. die Aufklärungspflicht des Anschlussinhabers gegenüber allen Familienangehörigen, Mitbewohnern oder sogar Gästen wie auch regelmäßige Kontrollen oder die Überwachung des Netzes.

Häufige Argumente der Verteidigung lauten hier:

„Ich habe meinem Sohn immer, immer wieder gesagt, er solle sich keine Filme oder Musik illegal herunterladen.“
Oder:
„Aber zu dem fraglichen Tatzeitpunkt, als der Film in der Tauschbörse herunterladen wurde, waren wir mit der gesamten Familie im Ski-Urlaub und niemand war bei uns im Haus.“

Diese Argumente, in der Praxis auch vielfach als Schutzbehauptungen gewertet, finden sich häufig in den Schriftsätzen der Rechtsanwälte wieder. Stimmen diese guten Argumente, ist ein Erfolg vor Gericht sogar wahrscheinlich – oder es reicht zumindest für einen „halbwegs“ hinnehmbaren (außergerichtlichen) Vergleich.

Die Regelung der Störerhaftung ist indes seit über einem Jahrzehnt umstritten. Insbesondere ist diese Rechtsdogmatik vor dem Hintergrund der Haftungsprivilegierung nach §§ 8-10 Telemediengesetz (TMG) diskutabel, die sich aus der eCommerce-Richtlinie (RL 2000/31 EG) ergeben. Denn die EU-Richtlinie führte zur Novellierung des Telekommunikationsrechts in Deutschland und letztlich dazu, dass beispielsweise Access Provider als Diensteanbieter„für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln“, grundsätzlich nicht verantwortlich sind (Vgl. § 8 Abs. 1 TMG). Nach diesem Verständnis sollen also die Access Provider nicht für Rechtsverstöße durch die Kunden bzw. Nutzer haften, weil sie diese Informationen nur „übermitteln“ oder den Zugang „vermitteln“, also rein technische und nahezu unkontrollierbar viele Prozesse der Datenübertragung vornehmen. Für Host-Provider und Content-Provider gelten nach §§ 9, 10 TMG weitere Privilegierungen, so dass sie in der Regel erst ab dem Moment der Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information haften („noticeandtake down“-Verfahren mit angemessenen Prüf- und Sorgfaltspflichten).

Die Rechtsprechung zur Störerhaftung ist zurzeit der ausschlaggebende Grund, warum hierzulande nur wenig „Freifunk“ und kostenlose W-LAN Netzwerke existieren.

Kritisiert wird immer wieder, dass der „Standort Deutschland“ in Puncto Netzausbau und digitaler Infrastruktur trotz großer Worte der Regierung dem Ausland deutlich hinterherhinkt. Als ein Motiv hierfür wird immer wieder die besagte Störerhaftung angeführt, die insbesondere Cafés, Restaurants und sonstige Gewerbetreibende davon abschrecken lässt, dem Kunden einen drahtlosen, kostenlosen Internetzugang zu gestatten. Schließlich müssten sie in der Regel für die rechtswidrigen Handlungen der Gäste haften und haben teure Abmahnungen zu befürchten.

Viele Ideen und Argumente – Kein Handeln des Gesetzgebers

Die Bundesregierung und auch einige Bundesländer planen daher seit zwei Jahren an neuen Programmen, die auch eine Gesetzesänderung beinhalten. So soll zwar die Haftung der W-LAN Betreiber beschränkt oder konkreter ausgestaltet werden, weswegen auch an eine „W-LAN-Vorschaltseite“ gedacht wird (Überblick über den aktuellen Diskussionsstand), viel passiert ist indes nicht.

Und auch der EuGH-Generalanwalt Szpunar hat sich jüngst eher kritisch in einem noch laufenden Verfahren vor dem EuGH zur Klärung dieser Rechtsfragen zu der deutschen Störerhaftung der W-LAN Betreiber geäußert und durchblicken lassen, dass diese bzw. ebenso die deutschen Vorhaben wie die Vorschaltung einer Disclaimer-Seite bei der Anmeldung im freien Netz als „angemessene Sicherungsmaßnahme“ möglicherweise gegen das EU-Recht verstoßen würden.

Seiner Auffassung nach sei der Betreiber eines Geschäfts wie z.B. einer Bar oder eines Cafés als nebensächlicher W-LAN Betreiber nur der Vermittler der Information, der sich auf die technische „Durchleitung“ der Daten beschränke wie ein Access Provider, und zog somit den Vergleich zur Haftungsprivilegierung nach §§ 8-10 TMG. Diese Haftungsbeschränkung sei daher auch auf die unentgeltliche Zurverfügungstellung eines W-LAN Netzes anwendbar.

Einige Beobachter gehen mittlerweile davon aus, dass diese Rechtsdogmatik in naher Zukunft entfallen wird und sich auch (kommerzielle) W-LAN Betreiber auf die Haftungsprivilegierungen berufen können. Wohlbemerkt nur mit der Einschränkung, dass dieses für den (gewerblichen) Betrieb von unentgeltlichen W-LAN Netzwerken gelten mag. Das würde den Netzausbau hierzulande gewiss kräftig beschleunigen.

Für andere Anbieter oder Privatpersonen bleibt es wohlmöglich bei der derzeitigen Rechtslage.